EU-Mindestlohnrichtlinie auf der Zielgeraden
Nach Parlaments- und Ratsbeschluss können abschließende Trilog-Verhandlungen starten
Die EU-Mindestlohnrichtlinie hat zum Jahresausklang zwei wichtige Hürden genommen und könnte in der mit Jänner startenden französischen Ratspräsidentschaft endlich Realität werden. Der Vorschlag der Kommission zu angemessenen Mindestlöhnen ist aktuell eine der wichtigsten politischen Initiativen für ein sozialeres Europa. Mit dem Ziel der Stärkung von Kollektivvertragssystemen und der Sicherung von angemessen Mindestlöhnen soll die Einkommenssituation von Millionen von Beschäftigten im Niedriglohnbereich verbessert und die Lohnkluft zwischen Ost und West rascher geschlossen werden. Damit würde auch der Druck auf den Arbeitsmarkt und die Löhne in Österreich durch Lohndumping über Entsendungen sinken.
Aktionspläne für höhere Kollektivvertragsabdeckung
Der von der EU-Kommission bereits im Oktober 2020 vorgelegte Entwurf sieht vor, Kollektivverhandlungen zu fördern und die Angemessenheit gesetzlicher Mindestlöhne zu gewährleisten, wo solche gelten. Konkret würden mit der Richtlinie Mitgliedstaaten mit einer kollektivvertraglichen Abdeckung von weniger als 70 Prozent der ArbeitnehmerInnen zur Vorlage eines Aktionsplans zur Förderung von Kollektivverhandlungen verpflichtet. Länder mit gesetzlichen Mindestlöhnen wiederum sollen solide und klare Kriterien für die Festlegung und Aktualisierung der Mindestlöhne unter Einbeziehung der Sozialpartner festlegen. Eine Verpflichtung für gesetzliche Mindestlöhne, denen die österreichischen Gewerkschaften seit jeher skeptisch gegenüber stehen, enthält die Richtlinie nicht.
Grünes Licht für abschließende Verhandlungen
Ende November hat das Europäische Parlament den Abschlussbericht, der den ursprünglichen Kommissionsentwurf noch um Forderungen des Europäischen Gewerkschaftsbundes ergänzt hat, mit deutlicher Mehrheit angenommen. Wenig später hat sich auch der Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz auf einen gemeinsamen Standpunkt zum Kommissionsvorschlag geeinigt. Die beiden Beschlüssen ermöglichen die Aufnahme von Trilog-Verhandlungen über die Richtlinie zwischen Parlament, Rat und Kommission unter der Ägide der französischen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022.