Erinnerungen an "Happy Pepi"
Zum 100. Geburtstag von Josef Staribacher am 25. März 2021
Am 25. März 2021 wäre Josef Staribacher, 100 Jahre alt geworden. Zwischen 1961 und 1989 war „Happy Pepi“ Vorsitzender der Gewerkschaft der Lebens- und Genussmittelarbeiter (LUGA), saß von 1961 bis 1983 im Parlament und war der am längsten dienende Minister seit der Gründung des Handelsministeriums (heute Wirtschaftsministerium) im Jahr 1848: Er versah diesen Posten 13 Jahre lang, von 1970 bis 1983, die gesamte Ära Kreisky hindurch.
Haft und Konzentrationslager
Staribacher begann in der Zeit des Austrofaschismus sich in einer sozialistischen Jugendgruppe im 15. Wiener Gemeindebezirk zu engagieren. Wegen seiner politischen Tätigkeit wurde er von der Schule geworfen und 1936 mit gerade einmal 15 Jahren inhaftiert. 1938 trat Staribacher, der nun Stein- und Offsetdrucker lernte, dem „Graphischen Bildungsverein“ bei, der in Wirklichkeit die illegale Gewerkschaft der Grafiker war. Im Jahr 1939 verhafteten ihn die Nationalsozialisten und deportierten ihn ins Konzentrationslager Buchenwald. Nach sieben Monaten kam er wieder frei.
Nach Kriegsende half er beim Wiederaufbau der Arbeiterkammer und schloss seine Studien der Volkswirtschaft (1945) und der Staatswissenschaften (1952) ab. Als, wie er selbst sagte, "ganz kleines Gewerkschaftsmitglied“ erlebte Staribacher 1945 die Neugründung des ÖGB. Durch die Bekanntschaft mit dem späteren LUGA-Obmann Karl Mantler, den Staribacher im KZ Buchenwald kennen lernte, wurde er bei den Lebensmittelarbeitern aktiv, 1956 wurde er zum Obmann-Stellvertreter und 1961 zum Obmann der LUGA gewählt.
Erfolgreicher Gewerkschafter
In den frühen 1960er-Jahren verhandelte Staribacher den ersten Rahmenkollektivvertrag für die Nahrungs- und Genussmittelindustrie, der heute nach zahlreichen Überarbeitungen immer noch gilt. Weitere Themen waren die Durchsetzung von Lohnerhöhungen und die Abschaffung gesonderter Frauenlöhne. Die LUGA kämpfte für eine Reduktion der Arbeitszeit und für eine Verlängerung der Kündigungsfristen. Der Bildungsurlaub für BetriebsrätInnen und GewerkschaftsfunktionärInnen sowie die Fünf-Tage-Woche sollten eingeführt werden. Weitere Punkte waren die leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche, die Förderung der Mitarbeit von Frauen und Jugendlichen in der Gewerkschaft, Mitspracherecht der BetriebsrätInnen bei geplanter Automatisierung in den Unternehmen, Arbeitsplatzsicherung sowie eine Erweiterung der Liste der Berufskrankheiten.
Erstes Konsumentenschutzgesetz
Ab Ende der 1970er Jahre wurde der Erhalt der Vollbeschäftigung ein wichtiges Thema, ab den 1980er Jahren der Umweltschutz, die Wahl von Konzernbetriebsratskörperschaften, sowie die Novellierung des Bäckerschutzgesetzes. Einige der Forderungen wie die Novellierung der Gewerbeordnung setzte Staribacher als Handelsminister selbst um. Andere wie die Arbeitszeitverkürzung in der Lebensmittelindustrie von 40 auf 38,5 Wochenstunden oder die Abschaffung der Frauenlöhne gelang ihm mit Unterstützung der GewerkschaftsfunktionärInnen Mitte der 1980er Jahre.
Nach dem Wahlsieg der SPÖ bei den Nationalratswahlen im Jahr 1970, holte Bruno Kreisky Staribacher als Minister für Handel, Gewerbe und Industrie in seine Regierung. Als seine größten Erfolge in 13 Jahren Ministertätigkeit sah Staribacher selber die „Entstaubung der Gewerbeordnung“, die Verabschiedung des ersten Konsumentenschutzgesetzes, den Ausbau der Förderung von Klein- und Mittelbetrieben, die Einführung von Mindeststandards im Tourismus, das Assoziierungsabkommen mit der EFTA, das den Weg zur EU ebnete.
Ölkrise und autofreier Tag
Als der Erdölschock nach dem Jom-Kippur-Krieg im Oktober 1973 in den westlichen Industrieländern zu einer Versorgungskrise führte, verfügte Staribacher, dass in ölbeheizten Bundesgebäuden die Raumtemperatur maximal 20 Grad betragen dürfe, er führte „Energieferien“ ein und verfügte, dass die Tankstellen am Sonntag geschlossen bleiben müssten. Ab Jänner 1974 gab es einen vorgeschriebenen autofreien Tag pro Woche, der mittels eines Pickerls auf der Windschutzscheibe festgelegt werden musste. Eine Beschränkung auf Tempo 100, die er ebenfalls einführte, hielt nicht lange, sparte aber in knapp einem Monat 235.000 Tonnen Treibstoff ein.
Die Ölkrise führte aber auch dazu, dass Staribacher sich vermehrt mit alternativer Energiegewinnung beschäftigte, und dass in der Bevölkerung das Umweltbewusstsein stieg. Das Atomkraftwerk Zwentendorf wurde gebaut, aber – für Staribacher eine Niederlage – nie in Betrieb genommen. Im Oktober 1977 konnte Staribacher bei einer Pressekonferenz berichten, dass der eingeschlagene Weg, die Bevölkerung vom Energiesparen zu überzeugen, funktioniert habe. Unter Staribacher wurde auch das Recycling in Österreich eingeführt, mit einer Altstofffibel und Sammelaktionen in ganz Österreich. Durch die Menge an gesammeltem Altpapier konnten alleine in der Papierfabrikation bis zu 60 Prozent Energie eingespart werden.
"Happy Pepi"
Staribacher war ein ungewöhnlicher Politiker: Der bekannteste seiner zahlreichen Spitznamen lautete "Happy Pepi", auf Grund seiner meist ausgesprochen guten Laune. Er weigerte sich zur Angelobung etwas anderes zu tragen, als einen einfachen Anzug und fuhr gerne einmal statt mit dem Dienstwagen mit dem Moped zur Arbeit. Um den Tourismus zu fördern, führte Staribacher deutsche Journalisten auf lange Bergtouren, radelte um die Wette oder ließ sich bei Vorführungen der Bergrettung von einem Hubschrauber am Seil abtransportieren. In seiner Sakkotasche hatte er stets eine Mundharmonika dabei.
Ehrenvorsitzender der PRO-GE
Aus "seiner" Gewerkschaft LUGA wurde zusammen mit der Gewerkschaft der Arbeiter der Land- und Forstwirtschaft 1991 die Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuss, die sich wiederum mit der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie und der Gewerkschaft Textil, Bekleidung, Leder zur Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung (GMTN) zusammenschloss. 2009 entstand aus der GMTN und der Gewerkschaft der Chemiearbeiter die heutige Produktionsgewerkschaft. In all diesen Organisationen war Josef Staribacher bis zuletzt ein beliebter und angesehener Ehrenvorsitzender, dessen Rat hoch geschätzt war.
In einem seiner letzten Interviews antwortete Staribacher auf die Frage, ob er immer noch „Happy Pepi“ sei: „Happy werde ich auf jeden Fall bleiben und Pepi steht auf meinem Taufschein.“ Der „Gewerkschaftspionier, Demokrat und Antifaschist“ starb 2014 im Alter von 92 Jahren.
>>> ÖGB: Josef Staribacher - der Mann mit den vielen Spitznamen