Experiment bestätigt: Arbeitsplatzgarantie beseitigt Langzeitarbeitslosigkeit
Erste Ergebnisse des Projekts "Arbeitsplatzgarantie Marienthal"
Das Arbeitsmarktservice (AMS) Niederösterreich hat vor etwa zwei Jahren das Projekt "Arbeitsplatzgarantie Marienthal" im südlich von Wien gelegenen Ort Gramatneusiedl gestartet. Das Ziel dabei ist, Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen. Das auf bis zu 150 Personen ausgelegte Projekt läuft noch bis April 2024 und bietet jedem ansässigen Arbeitslosen für mehr als 12 Monate eine universelle und bedingungslose Garantie auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz. Das Ganze wird zudem wissenschaftlich von den Universitäten Oxford und Wien begleitet. Dabei wird untersucht, wie sich die Wirtschaft, die Gemeinschaft und das Leben der Menschen mit dem Zugang zu garantierter Beschäftigung verändern.
Arbeitslosigkeit geht merklich zurück
Die erste Projekt-Phase wurde nun im Dezember 2022 abgeschlossen und endete laut AMS vielversprechend: Die Langzeitarbeitslosigkeit ist trotz Freiwilligkeit um 60 Prozent deutlich zurückgegangen. Die gesamte Arbeitslosenquote ist um etwa 20 Prozent gesunken.
Zudem zeigen die ersten veröffentlichten Studienergebnisse erhebliche Verbesserungen bei mehreren sozialen und persönlichen Indikatoren. So können die Teilnehmenden des Projektes ihren Alltag im Vergleich zu Langzeitarbeitslosen besser strukturieren und die finanziellen Sorgen nehmen ab. Außerdem steigt die Einbindung ins Sozialleben, die Menschen haben das Gefühl, einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Das allgemeine Wohlbefinden steigt laut Studie nachweislich.
Lukas Lehner, Ökonom und Studienautor der Universität Oxford, sagt dazu: "Langzeitarbeitslosigkeit zerstört Leben und schädigt Gemeinschaften, aber die Marienthal-Arbeitsplatzgarantie zeigt, dass es möglich ist, diesen Schaden mit einer erschwinglichen, innovativen Sozialpolitik praktisch zu beseitigen. Die Menschen wollen sinnvolle Arbeit zu fairer Bezahlung, und ihnen zu helfen, Zugang dazu zu erhalten, kommt uns allen zugute."
Freiwilligkeit
Die TeilnehmerInnen werden im Rahmen des Projektes bei der Arbeitssuche unterstützt und erhalten eine bezahlte Arbeit im privaten oder öffentlichen Sektor. Sie verdienen mindestens den Mindestlohn. Das Projekt basiert dabei gänzlich auf Freiwilligkeit. Das heißt, niemand ist verpflichtet, ein Jobangebot anzunehmen. Dass es die meisten dennoch machen, zeige auch, dass "die Mehrheit der Menschen arbeiten möchte", sagt Lehner. Langzeitarbeitslosigkeit resultiere eben nicht daraus, dass Menschen unwillig wären zu arbeiten.
Das Pilotprojekt hat ein Budget von insgesamt 7,4 Millionen Euro. Die Kosten belaufen sich damit auf rund 29.841 Euro pro Person und pro Jahr. Schätzungen des AMS zufolge kostet ein Jahr Arbeitslosigkeit ebenfalls durchschnittlich 30.000 Euro pro Jahr. Zu den Arbeitsplätzen, die seit Beginn des Programms geschaffen wurden, gehören zum Beispiel Jobs in den Bereichen Tischlerei, Renovierung, Gartenarbeit, Altenpflege und Büroverwaltung.
Erkenntnisse im Überblick
- Das Projekt beseitigt die Langzeitarbeitslosigkeit – ein wichtiges Ergebnis, da das Programm völlig freiwillig ist. Es führt auch zu einem starken Rückgang der Gesamtarbeitslosigkeit der Stadt.
- Das Einkommen der TeilnehmerInnen steigt und sie erhalten so eine größere finanzielle Sicherheit.
- Die TeilnehmerInnen sind glücklicher, zufriedener und haben mehr Kontrolle über ihr Leben.
- Die TeilnehmerInnen haben sinnvollere Interaktionen mit anderen, fühlen sich wertgeschätzter.
Warum Marienthal?
Für den Ort Gramatneusiedl ist das nicht die erste Sozialstudie. Bereits in den 1930er-Jahren wurde in Marienthal (Name eines Ortsteils von Gramatneusiedl bzw. Name einer Arbeitersiedlung) eine Studie durchgeführt, bei dem ein ForscherInnen-Team rund um Marie Jahoda, Paul Felix Lazarsfeld und Hans Zeisel die Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit untersuchten. Die Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ wurde 1933 veröffentlicht und gilt heute als ein Meilenstein der empirischen Sozialforschung.
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