Gemeinsame Agrarpolitik: Chance für mehr Fairness vergeben
Soziale Konditionalität ein Fortschritt, der aber in der Realität wirkungslos bleiben wird
Erstmals in ihrer fast sechzigjährigen Geschichte beinhaltet die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU die Einhaltung von Arbeits- und Sozialrechten als Bedingung für die milliardenschweren Agrarförderungen. "Dass die Arbeits- und Sozialrechte von rund sieben Millionen ArbeitnehmerInnen in der europäischen Landwirtschaft endlich auch in der GAP berücksichtigt werden, ist als Erfolg einer länderübergreifenden Allianz von gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen zu bewerten", begrüßt Rainer Wimmer, Bundesvorsitzender der Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) die Einführung der sozialen Konditionalität grundsätzlich, allerdings nicht ohne scharfer Kritik an den EU-AgrarministerInnen. "Die von Österreichs Landwirtschaftsministerin Köstinger angeführte Gruppe von Mitgliedsstaaten, die eine Verankerung der Arbeits- und Sozialrechte unbedingt verhindern wollten, hat leider geschafft, die viel weitreichenderen Vorschläge des EU-Parlaments so zu verwaschen, dass die Regelung in der Praxis wohl ohne Konsequenzen bleiben wird. Die AgrarministerInnen haben die Chance liegen gelassen, mehr als nur ein Lippenbekenntnis abzugeben und einen echten Schutz vor Ausbeutung zu schaffen."
Zahnlose Regelungen
Wenig Verständnis hat der PRO-GE Vorsitzende unter anderem für den äußerst langsamen Fahrplan: Die nationale Umsetzung ist ab 2023 zunächst nur freiwillig und wird erst ab 2025 verpflichtend. Zweiter großer Kritikpunkt ist die unrealistische Vorgabe, dass – anders als bei anderen Verstößen – erst eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Kürzung von Förderungen führt. In der Praxis schöpfen betrogene ErntearbeiterInnen so gut wie nie den kompletten Rechtsweg aus. Wenn solche Fälle überhaupt vor Gericht landen, enden die Prozesse im Normalfall mit einem Vergleich. "Wer bei der Größe seiner Anbauflächen schummelt, riskiert die Förderungen sofort zu verlieren, das wird auch routinemäßige kotrolliert. Bei Lohnbetrug an hart arbeitenden Menschen, sind keine geregelten Kontrollmechanismen vorgesehen und die Unterstützung aus öffentlichen Geldern wird erst in der allerletzten Konsequenz eingestellt, die in der Realität vermutlich nie erreicht wird", ärgert sich Wimmer.
Bundesregierung einmal mehr gegen Arbeitnehmerinteressen
„Frau Bundesministerin Köstinger hat bei diesen Verhandlungen leider immer gegen eine faire Behandlung von ArbeitnehmerInnen in der Landwirtschaft gearbeitet, in dem sie sich für eine reduzierte Anzahl von Rechtsvorschriften und gegen eine Mindestkontrollrate eingesetzt hat", erneuert Wimmer die Kritik an der österreichischen Regierung. Den Schaden hätten nicht nur ErntearbeiterInnen, sondern auch die ehrlichen ProduzentInnen, die gegenüber der betrügerischen Konkurrenz Wettbewerbsnachteile hinnehmen müssen. "Damit die neue GAP wirklich Verbesserungen für die ArbeiterInnen bringt, muss sie effektive Regelungen und wirksame Kontrollen beinhalten", fordert der PRO-GE Vorsitzende.