Krankenstand: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Pauschalverdacht
Zahlenmissbrauch beim Krankenstand – oder: was die WKÖ von Donald Trump gelernt hat
Es war ein kurzer Satz in einer Presseaussendung der Wirtschaftskammer (WKÖ) vom 24. September. WKÖ-Generalsekretär Jochen Danninger behauptete zum Thema Sozialleistungsbetrug, dass allein beim Krankenstandsmissbrauch die Schätzungen von bis zu 8,5 Mrd. Euro an Wertschöpfungsverlusten ausgehen.
Eine „falsche Darstellung“ wie Gewerkschaften und Gesundheitskasse kritisieren. „Wenn die WKÖ sagt, dass über acht Milliarden Euro durch Krankenstandsmissbrauch entstehen, stimmt das nicht. Rund acht Milliarden Euro sind die gesamten wirtschaftlichen Kosten von Krankenständen. Diese allein auf Missbrauch zurückzuführen, ist falsch“, sagte etwa ÖGK-Obmann Andreas Huss zum ORF.
Vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit fordert nun in einem offenen Brief, ein aufsichtsbehördliches Verfahren gegen die WKÖ einzuleiten, "um die Umstände dieser Falschmeldung zu klären". Er begründet dies damit, dass "die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verbreitung unwahrer Tatsachen durch eine Körperschaft öffentlichen Rechts" dem Gebot der Gesetzmäßigkeit widerspreche.
Fehlzeiten stabil
Im langjährigen Vergleich zeigt sich keine dramatische Entwicklung bei den Fehlzeiten: Waren es im Jahr 2000 durchschnittlich 14,4 Krankenstandstage, so sind es 2024 durchschnittlich 15,1 Krankenstandstage. Eine Zunahme von Missbrauch lässt sich auch hier nicht ableiten. Aus Sicht der PRO-GE werden hier alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer pauschal unter Verdacht gestellt, indem man mit „alternativen Fakten“ operiert.
Besser: Lohn- und Sozialdumping bekämpfen
Die WKÖ kopiert damit die Kommunikationsstrategie von US-Präsidenten Trump. Sie argumentiert mit angeblichen Fakten, die mit der Realität wenig zu tun haben. Es geht offensichtlich darum, vom Sozialbetrug von Unternehmen abzulenken. Denn laut Finanzpolizei beträgt der Schaden für Steuerzahler:innen und Sozialversicherung durch Sozialbetrug von Unternehmen alleine in der Baubranche 350 Millionen Euro – und zwar pro Jahr. Betriebe, die ihre Beschäftigten beim AMS zwischenparken, wälzen ihre Personalkosten auf die Arbeitslosenversicherung ab und reißen dort ein Loch von 700 Millionen jährlich, schreibt die Stabsstelle Betrugsbekämpfung der Arbeiterkammer.
Hinzu kommt der Umstand, dass die Österreichische Gesundheitskasse heuer wahrscheinlich ein Defizit von 900 Millionen Euro ausweisen wird. Also in etwa genauso hoch, wie die Beitragsrückstände der Dienstgeber 2024 betragen haben.