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Löhne rauf!

Welche Inflationsrate für die Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst gilt und warum Lohnzurückhaltung nicht in Frage kommt. Die wichtigsten Fakten zur Herbstlohnrunde 2023.

Am 25. September wird mit der Forderungsübergabe für Metallindustrie & Bergbau die Herbstlohnrunde eingeläutet.  Seit Wochen wettern Wirtschaftsvertreter:innen gegen die Gewerkschaften und verlangen Lohnzurückhaltung. Kein Tag ohne Empfehlungen für die Lohnrunde: eine andere, geringere Inflationsrate als Basis, längere Laufzeiten, Einmalzahlungen statt dauerhaften Erhöhungen.

Alle diese Vorschläge folgen einem Muster: Die Arbeitnehmer:innen sollen verzichten und sich unterm Strich mit weniger zufrieden geben. Wir geben Antworten auf wichtige Fragen zur Herbstlohnrunde.

Warum orientieren sich viele Branchen am Abschluss in der Metallindustrie?

 

Ab Jänner werden Kollektivverträge verhandelt, die für ca. 60 Prozent der Beschäftigten in Österreich gelten. Darunter zum Beispiel der Kollektivvertrag für die Beschäftigen im Handel. 

Der Kollektivvertrag für die Eisen- und Metallindustrie gilt ab 1. November. Der Abschluss bildet also den Auftakt für alle Verhandlungen im neuen Jahr.

Der Abschluss in der Metallindustrie ist traditionell stark, weil es viele Betriebe mit Betriebsrat gibt. Deshalb orientieren sich die meisten Branchen mit ihren Forderungen an diesem guten Abschluss.

Ist heuer Lohnzurückhaltung angebracht?

Sicher nicht! Bis jetzt ist auch keine Zurückhaltung bei den Gewinnausschüttungen an Eigentümer und Aktionäre zu bemerken. Die Forderung nach Lohnzurückhaltung wird also unehrlich geführt.

Die PRO-GE orientiert sich an den Fakten und wird bei der Lohnrunde über die wirtschaftlichen Erfolge der Vergangenheit reden. 2021 und 2022 waren absolute Rekordjahre, Hochkonjunktur für die Industrie mit hoher Auslastung und Produktion. Die Industrie ist auch weiterhin auf sehr hohem Niveau unterwegs. Zum Beispiel liegt laut Statistik Austria der produzierende Bereich in Summe um 24 Prozent über dem Juli 2019, als deutlich über dem Niveau vor der Pandemie.

Welche Inflationsrate gilt?

Die für die Verhandlungen relevante durchschnittliche Inflationsrate der letzten zwölf Monate liegt heuer bei 9,6 Prozent.

Die sogenannte rollierende Inflation muss weiterhin die Basis bei den Verhandlungen sein. Eine andere Indexierung zu verwenden, weil sie günstiger für die Arbeitgeber ist, lehnt die PRO-GE ab. In der Metallindustrie ist der Betrachtungszeitraum mit September 2022 bis August 2023 definiert. 

Wird heuer gestreikt?

Zu streiken ist ein Grundrecht. Auch wenn Streiks ein legitimes und effizientes Mittel sind, so sollten sie doch das letzte Mittel bleiben. Es hat sich bewährt, dass die Sozialpartner zuerst eine Lösung am Verhandlungstisch suchen. Ob es heuer zu Streiks kommen wird, kann noch niemand sagen.

Heizen die Löhne die Preise an?

Nein. Die Löhne folgen den Preisen, denn die Inflation wird im Nachhinein abgegolten. Laut Nationalbank war die heimische Inflation 2022 zu 60 Prozent von den Gewinnen getrieben. Löhne haben deshalb einen viel kleineren Einfluss auf die Preissteigerungen. 

Warum sind Lohnerhöhungen wichtig?

Dauerhafte Erhöhungen stehen auch heuer im Fokus, da die Teuerung aus der Vergangenheit auch nicht rückabgewickelt wird, sondern bleibt. Alleine die Mieten sind in den vergangen zwei Jahren um rund 25 Prozent gestiegen, Lebensmittel um 23 Prozent. Und die Lebenserhaltungskosten steigen weiter. Damit das Leben leistbar ist, braucht es nachhaltige Lohnsteigerungen. Sie stärken die Kaufkraft und verhindern eine wirtschaftliche Abwärtsspirale.

Was spricht gegen Einmalzahlungen?

Einmalzahlungen sind kein Ersatz für eine dauerhafte Erhöhung. Sie können maximal Abhängig vom Alter und Erwerbsverlauf macht der Verlust über die Jahre mindestens 60.000 Euro aus. Das hat dann auch Auswirkungen auf die Pensionshöhe. Die Preissteigerungen für Energie, Sprit, Wohnen, Lebensmittel usw. summieren sich und eine Familie hat schnell mal rund 500 Euro im Monat mehr zu stemmen. Eine einmalige Inflationsabgeltung verpufft also in kurzer Zeit.

Was spricht gegen einen Abschluss auf mehrere Jahre?

Jährliche Kollektivvertragsverhandlungen haben sich bewährt. Es gibt keinen Grund, das erfolgreiche System zu ändern. Eine Ausdehnung der Abschlüsse auf zum Beispiel 24 Monate würde faire KV-Verhandlungen erschweren. Vielmehr müssen sich Sozialpartner in Zeiten rascher Veränderungen auch zeitnah austauschen.

Gefährden Lohnerhöhungen den Wirtschaftsstandort?

Lohndumping hat noch nie Arbeitsplätze gerettet oder Standortverlagerungen verhindert. Infrastruktur, Energiesicherheit, sozialer Frieden und Verfügbarkeit gut ausgebildeter Arbeitskräfte sind in Wahrheit die bedeutenden Standortfaktoren. 

Sind die Verhandlungen nur Show?

Die Kollektivvertragsverhandlungen sind keine Show. Die Arbeitgeber, ganz egal in welcher Branche, haben leider noch nie „von sich aus“ etwas hergegeben. Es ist oft harte Überzeugungsarbeit notwendig, damit auch die Arbeitnehmer:innen ihren gerechten Anteil bekommen. 

Manchmal wird um eine bestimmte Formulierung stundenlang gefeilscht, manchmal sind kleinste Zugeständnisse schwierig zu erreichen. Jede Seite will das Maximum für ihre Leute rausholen. Wenn die Situation festgefahren scheint, werden die Verhandlungen unterbrochen. Umgekehrt können sie auch die ganze Nacht dauern, wenn eine Einigung möglich erscheint.

Kommt es zu einem Abschluss, ist das Ergebnis immer ein Kompromiss. Keine Seite bekommt dabei alles. 

Warum sind so viele Leute bei den Verhandlungen?

Die Verhandlungen finden in mehreren Teams statt. Eine Untergruppe kann zum Beispiel über die spezielle Ausformulierung einer Textpassage verhandeln, während das Chefverhandlerteam generelle Fragen klärt. Die unterschiedlichen Teams stimmen sich immer wieder ab.

Zwischendurch berichten die Verhandler:innen immer wieder den anwesenden Betriebsrät:innen. Denn sie müssen am Ende das Verhandlungsergebnis mittragen. Einzelne Betriebsrät:innen werden  bei Detailfragen auch zurate gezogen.

Die Betriebsrät:innen informieren ihre Kolleg:innen dann in den Betrieben über die Verhandlungen.

Warum bekommt die Metallindustrie so viel Aufmerksamkeit in den Medien?

Der Bereich ist traditionell gut gewerkschaftlich organisiert. Im Schnitt haben 47 Prozent der untersuchten Betriebe einen Betriebsrat, wie eine Studie der WKO zeigt. Bei Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten haben sogar 88 Prozent einen Betriebsrat. 

In organisierten Betrieben ist es leichter, Druck durch die Belegschaft aufzubauen und so die Forderungen, zum Beispiel nach höheren Löhnen, auch durchzusetzen. Viele Betriebe in den Fachbereichen der Metallindustrie sind sehr groß. Einen Hochofen bei einem Streik herunterzufahren kostet mehr, als wenn in einem kleineren Gewerbebetrieb gestreikt wird.

Es geht in der Herbstlohnrunde also um viel.

Warum werden heuer schwierige Verhandlungen vorausgesagt?

Eine Besonderheit bei den Verhandlungen 2023 ist, dass die rollierende Inflation mit 9,6 Prozent höher ist, als die aktuelle Inflation (sie lag im August 2023 bei 7,5 Prozent). Die Arbeitgeber möchten deshalb eine andere Grundlage nehmen, außerdem verlangen sie zu berücksichtigen, dass die kalte Progression abgeschafft wurde. Für uns als Gewerkschaft kommt das nicht in Frage.

Im letzten Jahr war es genau umgekehrt. Damals war die rollierende Inflation niedriger, als die aktuelle Monatsinflation. Damals haben wir als Gewerkschaft auch nicht verlangt eine andere, für uns günstigere Grundlage, zu nehmen.

Mit Abschaffung der kalten Progression bekommen die Leute nur endlich das, was ihnen immer schon zusteht. Außerdem wurden im Gegenzug auch noch nie die hohen Wirtschaftshilfen für Unternehmen bei den KV-Verhandlungen berücksichtigt.

Für uns ist klar: Wir fordern auch heuer einen gerechten Anteil für die Arbeitnehmer:innen ein!