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Zukunftssicherung des Produktionsstandortes: Fokus muss auf Aus- und Weiterbildung liegen

PRO-GE Binder und AK Kärnten: „Senkung der Lohnnebenkosten führt nicht zu mehr Wachstum und Wertschöpfung“

Der heimische Wirtschaftsstandort steht vor großen Herausforderungen. Neben der Transformation durch Digitalisierung und Ökologisierung gilt es, die aktuelle angespannte wirtschaftliche Situation zu bewältigen.

Das ist auch in Kärnten zu spüren. Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) und Arbeiterkammer Kärnten forderten im Rahmen einer Pressekonferenz am 4. September im Ausbildungszentrum Villach vorausschauende arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Maßnahmen.

Bei einer Pressekonferenz von AK Kärnten und Produktionsgewerkschaft PRO-GE forderten Günther Goach, AK-Kärnten Präsident (links) und Reinhold Binder, Bundesvorsitzender der PRO-GE (rechts) eine Zukunftssicherung des Produktionsstandortes und Investitionen in die Aus- und Weiterbildung.

Unterbietungswettkampf auf Kosten der Arbeitnehmer:innen

„Es fehlt vor allem eine industriepolitische Gesamtstrategie bis 2040, die darauf ausgerichtet ist, Wertschöpfung in Österreich zu generieren, Zukunftssektoren aufzubauen und die Transformation zu begleiten. Es braucht daher einen Schulterschluss auf allen Ebenen - Bund, Länder und Sozialpartner“, fordern Reinhold Binder, Bundesvorsitzender der PRO-GE, und Günther Goach, Präsident der Arbeiterkammer Kärnten.

Lohnnebenkosten finanzieren Pensionen, Gesundheits- und Familienleistungen

Mit dem aktuellen Unterbietungswettkampf, etwa bei den Senkungen der Körperschaftssteuer oder der Arbeitgeberbeiträge zu den Lohnnebenkosten, wird man die Stärken Österreichs, wie soziale Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Innovationskraft oder das Gesundheitswesen, nicht erhalten können. „Es ist schlicht die Unwahrheit, dass eine Senkung der Lohnnebenkosten zu mehr Wachstum und Wertschöpfung führt, oder dass den arbeitenden Menschen mehr netto vom brutto übrigbleibt. Im Gegenteil, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden am Ende des Tages diese Rechnung bezahlen müssen, etwa mit einer Anhebung des Pensionsantrittsalters, mehr Selbstbehalten oder schlechteren Familienleistungen“, sagen Binder und Goach. 

Öffentliche Investitionen kurbeln Wirtschaft an 

Eine Senkung der Lohnnebenkosten führt am Ende zu einer Anhebung des Pensionsantrittsalters, mehr Selbstbehalten oder schlechteren Familienleistungen.

Reinhold Binder, Bundesvorsitzender der PRO-GE

Zentrale Zukunftsthemen sind aus Sicht von Gewerkschaft und AK die Schaffung der notwendigen Infrastruktur und die Qualifizierung der Arbeitnehmer:innen. Dies geht auch aus einer aktuellen Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Economica hervor, in der etwa im Bereich der Energieinfrastruktur ein immenser Aufholbedarf festgestellt wurde. So gibt es allein im Energiesektor einen Investitionsrückstau von 30 bis 40 Milliarden Euro. „Kluge staatliche Investitionen haben einen doppelten Effekt: Einmal als kurzfristigen Impuls für Konjunktur und Beschäftigung und langfristig profitieren die Unternehmen von einer besseren Ausstattung“, sagt Binder. 

Ohne Fachkräfte gelingt die Transformation nicht

Die Economica-Studie stellt auch fest, dass gerade Investitionen in die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften eine enorme Bedeutung für den österreichischen Standort haben. Ohne Fachkräfte, zum Beispiel in den Bereichen Elektrotechnik oder Installations- und Gebäudetechnik, wird die digitale bzw. ökologische Transformation nicht gelingen. Allerdings geht die Zahl der Lehrlinge immer weiter zurück. In Kärnten gibt es seit 1993 um 27 % weniger Lehrlinge. Auch die Zahl der Lehrbetriebe geht kontinuierlich zurück und befindet sich derzeit auf einem historischen Tiefstand. 

Ausbildungsfonds soll Lehrlingsbetriebe fördern

Zudem kommt es laut einer aktuellen Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft zu Konzentrationstendenzen. Der Anteil an Lehrlingen in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten sinkt demnach stetig (2013: 18,3%, 2023: 13,8%), während jener in Betrieben mit mehr als 250 Beschäftigten steigt (2013: 33,7%, 2023: 40,2%). PRO-GE und AK-Kärnten fordern daher, dass die nächste Bundesregierung die Finanzierung auf neue Beine stellt. „Wir müssen für Unternehmen mehr Anreize setzen, Lehrlinge auszubilden. Darum sollen jene Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, obwohl sie es könnten, in einen Ausbildungsfonds einzahlen. Aus diesem Fonds werden dann die Betriebe gefördert, die Lehrlinge ausbilden“, sagt Goach. 

Best practice: Qualifizierungsoffensive

Jene Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, obwohl sie es könnten sollen in einen Ausbildungsfonds einzahlen. Aus diesem Fonds werden dann Betriebe gefördert, die Lehrlinge ausbilden.

Günther Goach, Arbeiterkammer-Präsident Kärnten

Auch braucht es mehr Möglichkeiten, dass Arbeitnehmer:innen sich während eines aufrechten Arbeitsverhältnisses weiterbilden können. „Hier leisten wir als Sozialpartner im Metall- und Elektroniksektor bereits einen Beitrag. In den Kollektivvertragsabschlüssen wurde eine Qualifizierungsoffensive vereinbart. In den nächsten Jahren können mehrere tausend angelernte Arbeitnehmer:innen, die bereits jetzt in den Betrieben arbeiten, eine Fachausbildung nachholen“, sagt Binder. 

Kurzarbeit für Industriebetriebe wieder ermöglichen

Die Kärtner Industriebetriebe sind mit rund 50.000 Beschäftigten ein wichtiger Arbeitgeber und Wohlstandsbringer. Metallindustrie sowie Elektro- und Elektronikindustrie gehören zu den Schlüsselsektoren: Zur Sicherung eines starken Industrie- und Produktionsstandorts fordern PRO-GE und AK daher, dass das Instrument Kurzarbeit für Industriebetriebe wieder möglich sein muss, vor allem auch in Verbindung mit Weiterqualifizierungsmaßnahmen für die Arbeitnehmer:innen. „Noch mehr Unsicherheit ist in der jetzigen Situation sehr gefährlich. Wir brauchen Stabilität für die Beschäftigten und für die Betriebe“, sagt Goach, der kein Verständnis hat, dass „ein bewährtes arbeitsmarkpolitisches Instrument“ derzeit nicht zur Verfügung steht. Reinhold Binder verweist auf das Beispiel Liebherr in Osttirol. „Die Politik muss sich dafür einsetzen, dass Industriearbeitsplätze erhalten werden und die Betriebe ihre Fachkräfte halten können“, so Binder. Es gilt, auf regionale Unterschiede Bedacht zu nehmen, auch um einzelne Regionen vor Abwanderung zu schützen.