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Nationalratswahl 2024

Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Das braucht unser Land

Am 29. September hat Österreich einen neuen Nationalrat gewählt. Aber was braucht es, damit es wieder aufwärts geht? Die PRO-GE stellt zehn Forderungen an die nächste Bundesregierung, die für Österreichs Wirtschaft und für das Sozial- und Gesundheitssystem notwendig sind, damit das Land für die Arbeitnehmer:innen, Lehrlinge und Pensionist:innen wieder besser wird.


Standortpolitik

Regionale Wertschöpfung stärken

Es geht um eine vorausschauende Industrie- und Standortpolitik, die den Fokus darauf legt, die Wertschöpfung und damit Arbeitsplätze in Österreich und Europa zu sichern. Es geht darum, Zukunftssektoren (z. B. Recyclingwirtschaft) aufzubauen und den Umbau der bestehenden Industrien sozial verträglich zu gestalten. Dies ist bisher nicht geschehen. Gerade im Photovoltaikbereich hat Österreich lenkungspolitisch jahrelang dumm agiert. 90 Prozent der Anlagen kommen mittlerweile aus China und diese werden doppelt subventioniert – einmal vom chinesischen Staat und einmal von Österreich. In der Windenergiebranche droht Ähnliches. Das muss aber nicht sein. Wenn Förderungen und öffentliche Beschaffung an die regionale Wertschöpfung geknüpft werden oder bei Produkten ein Mindestanteil an Komponenten aus Europa festgeschrieben wird dann ist das Teil einer aktiven Standortpolitik.


Teuerung

Stiegenhaus

Wohnen muss (wieder) leistbar sein

Die Teuerung einfach durchrauschen zu lassen, war einer der größten Fehler der türkis-grünen Bundesregierung. Immer noch sind die negativen Nachwirkungen zu spüren und immer noch ist die heimische monatliche Teuerungsrate höher als in anderen Euro-Staaten. Miete, Wasser, Energie – allein die Wohnkosten sind in Österreich seit Mitte 2019 explodiert. Seit damals sind die Wohnkosten um 36 Prozent und damit klar über dem Eurozonen-Schnitt von 25 Prozent gestiegen. Das darf so nie wieder passieren! Darum ist es dringend notwendig, dass es Anti-Teuerungsmaßnahmen im Bereich des Wohnens gibt. Allem voran muss man der Indexierung von Mieten einen Riegel vorschieben und einen echten Preisdeckel für alle Mietformen einführen. Ebenso müssen für den Energiemarkt neue Regeln eingeführt werden. Das Merit-Order-System zu ändern, bei dem das teuerste zugeschaltete Kraftwerk den Preis bestimmt, wäre laut Wirtschaftsforscher:innen sehr schnell umsetzbar. Ziel muss sein, dass die geringen Produktionskosten aus Wind, Sonne und Wasserkraft allen Verbraucher:innen zum Vorteil gereichen und Österreich nicht dauerhaft zu einer Energie-Höchstpreiszone wird.


Faires Steuersystem

Millionäre müssen Beitrag leisten

Die Kluft zwischen Arbeit und Vermögen wächst konsequent und rasant. Österreich befindet sich nicht nur bei der Vermögensverteilung in einer gewaltigen Schieflage, sondern auch bei der Frage, wer denn für die Finanzierung öffentlicher Leistungen (von denen alle profitieren) aufkommt. Während Arbeit nach wie vor hoch besteuert wird, werden Vermögen und Vermögenszuwächse kaum oder gar nicht besteuert. Kritisiert wird dieser Umstand nicht nur von den Gewerkschaften, auch die OECD mahnt in ihren Länderberichten zu Österreich regelmäßig vermögensbezogene Steuern ein. Einige Parteien sowie Wirtschaftstreibende forcieren nun die Senkung der Lohnnebenkosten für Unternehmer. Das ist ein Angriff auf den Sozialstaat, denn mit keinem Wort wird erwähnt, wie der Entgang kompensiert werden soll, um die Sozialleistungen in vollem Umfang aufrechtzuerhalten. Anstatt weitere Geschenke an Konzerne zu verteilen, muss die nächste Regierung von Superreichen einen fairen Beitrag (z. B. Erbschaftssteuern bei Erbschaften über einer Million und die Besteuerung von Kapitaleinkommen) für die Finanzierung unseres Wohlfahrtsstaates und der öffentlichen Daseinsvorsorge einholen. Die Steuerkluft zwischen Arbeit und Kapital muss endlich geschlossen werden!


Arbeitszeit

Arbeitszeitverkürzung ist überfällig

Im kommenden Jahr feiert die 40-Stunden-Woche ihren 50. Geburtstag. Galt sie in den 1970er-Jahren noch als revolutionär, ist sie mittlerweile überholt. Die Produktivität ist seither gestiegen, die Arbeitsverdichtung hat zugenommen und es wird den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weitaus mehr Flexibilität zugunsten der Arbeitgeber abverlangt. Ebenso hat man es bis dato nicht geschafft, ausreichend Kinderbetreuungsplätze zu schaffen, die mit einer Vollzeitbeschäftigung kompatibel sind. Die Konsequenzen tragen meist die Frauen. Sie arbeiten oftmals nur Teilzeit, und das wirkt sich wiederum negativ auf ihre Pension aus. Außerdem hat sich mit der gesetzlichen Möglichkeit der 60-Stunden-Woche bzw. des 12-Stunden-Tages in einigen Betrieben die Situation für die Beschäftigten weiter verschlechtert. Die Gewerkschaften haben in vielen Kollektivverträgen bereits kürzere Arbeitszeiten durchgesetzt und auch in einigen Branchen dafür gesorgt, dass die Auswirkungen des 12-Stunden-Tages abgemildert werden. Um aber allen Arbeitnehmer:innen faire Arbeitszeiten garantieren zu können, muss – nach mehr als einem halben Jahrhundert – auch wird dann der Gesetzgeber handeln. Die gesetzliche Arbeitszeit muss gesenkt werden und vor allem bei belastender Tätigkeit (z. B. Nachtarbeit) ist eine deutliche Verkürzung der Arbeitszeit notwendig.


Gesunde Arbeit

Arbeitnehmer:innenschutz besser kontrollieren

Der Fachkräftemangel macht es möglich: Vor wenigen Jahren noch als zu teuer und zu unflexibel gebrandmarkt, sollen ältere Arbeitnehmer:innen nun die Kohlen aus dem Feuer holen. Um sie bis zum gesetzlichen Antrittsalter in den Unternehmen zu halten, werden die Möglichkeiten einer vorzeitigen Pensionierung zunehmend erschwert. Dies trifft vor allem jene Beschäftigten, die physische oder psychische Einschränkungen haben und deshalb nicht bis zum regulären Pensionsantrittsalter durchhalten. Wer also das faktische Pensionsantrittsalter erhöhen möchte, wird dies nicht durch Schikanen erreichen, sondern muss dafür Sorge tragen, dass die Arbeitsplätze so gestaltet sind, dass die Arbeitnehmer:innen möglichst lange gesund bleiben. In vielen Fällen wird der Arbeitnehmer:innenschutz aber nicht eingehalten, was zu Arbeitsunfällen oder auch chronischen Erkrankungen führen kann. Die Gewerkschaft fordert daher von der kommenden Regierung die Stärkung der Arbeitsinspektorate, höhere Strafen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und dem Arbeitszeitgesetz, dazu gehört insbesondere auch ein Festhalten am verwaltungsstrafrechtlichen Kumulationsprinzip (bei Begehung mehrerer Taten werden die einzelnen Strafen addiert).


Gesundheitsversorgung

Kassenärzte statt Geldbörselmedizin

Auch laut der ehemaligen Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) war die versprochene Patientenmilliarde, die im Zuge der Sozialversicherungsreform angekündigt wurde, nicht mehr als ein „Marketing Gag“. Die Reform brachte eine Machtverschiebung hin zu den Arbeitgebern. Leistungsverbesserungen sind daher weiter nicht zu erwarten, denn die Wirtschaft hat ein Interesse daran, dass möglichst viele Menschen eine private Zusatzversicherung abschließen. Dies erreicht man durch fehlende Kassenangebote und lange Wartezeiten. Es ist daher oftmals unvermeidlich, einen Wahlarzt bzw. eine Wahlärztin aufzusuchen, will man eine zeitnahe ärztliche Versorgung. Sprich: Nur wer privat hohe Summen in das Wahlarztsystem einzahlt oder eine teure Privatversicherung abgeschlossen hat, bekommt schnell einen Arzt- oder OP-Termin. Zentrale Forderungen der PRO-GE sind daher, dass das derzeitige Wahlarztsystem abgeschafft wird und die Selbstverwaltung der Krankenkassen künftig wieder bei den Arbeitnehmer:innen liegen muss. Im öffentlichen Gesundheitssystem braucht es wieder Entscheidungen im Sinne der Versicherten: Kassenärzt:innen statt Zwei-Klassen-Medizin.


Pensionen

45 Jahre sind genug!

Das österreichische Pensionssystem ist sicher. Das wird auch durch die EU-Kommission bestätigt, die zwar aufgrund des Pensionsantritts der Babyboomer einen moderaten Anstieg der Pensionsausgaben in den kommenden zehn Jahren sieht, dann aber wieder eine rückläufige Entwicklung prognostiziert. Für uns als Gewerkschaft ist daher klar: Eine Anhebung des gesetzlichen Antrittsalters und weitere „Reformen“ zulasten der künftigen Pensionist:innen sind abzulehnen. Mehr noch: Wer 45 Jahre hart gearbeitet hat, muss ohne Abschläge in den Ruhestand treten können. Das ist nur fair, denn die Einzahlungen ins Pensionssystem wurden in vollem Ausmaß geleistet und auch die Lebenserwartung wird durch schwere körperliche Arbeit verkürzt. Um wieder mehr Gerechtigkeit zwischen den Pensionsbezieher:innen herzustellen, muss die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren wieder ermöglicht werden.


Betriebsräte

Betriebliche Mitbestimmung stärken

Betriebe mit Betriebsrat zeichnen sich durch stabilere Beschäftigungsverhältnisse, höhere Einkommen und eine generell höhere Zufriedenheit bei den Beschäftigten aus. Die se Betriebe sind zudem wirtschaftlich erfolgreicher und in Krisenzeiten belastbarer. Dies wurde im Frühling 2024 auch durch eine groß angelegte IFES-Studie bestätigt. Trotzdem sind Betriebsrätinnen und Betriebsräte für einige Unternehmer ein rotes Tuch. Es häufen sich die Meldungen über Versuche, Belegschaftsvertreter:innen mit fragwürdigen juristischen Methoden und Schikanen loszuwerden. Und in Betrieben ohne Belegschaftsvertretung wird immer öfter alles dafür getan, eine Betriebsratsgründung zu verhindern. Wird die betriebliche Mitbestimmung untergraben, schwächt das die Arbeitnehmer:innen. Daher fordert die Gewerkschaft PRO-GE strafrechtliche Sanktionen bei der Behinderung oder Verhinderung von Betriebsrats- oder Jugendvertrauensratswahlen sowie spürbare Strafen bei Verstößen gegen Mitwirkungsrechte des Betriebsrat (Vorbild Deutschland). Darüber hinaus müssen Betriebe, die eine Betriebsratswahl vereiteln oder gar verhindern, für fünf Jahre von jeder öffentlichen Förderung und Auftragsvergabe ausgeschlossen werden.


Klimaschutz

Investitionen für Umbau

Der Erhalt unseres Lebensraumes ist wichtig. Dazu gehört Klimaschutz, aber dazu gehören auch gute Arbeitsbedingungen und gut bezahlte Arbeitsplätze. Darum muss Klimapolitik mit arbeitsmarktpolitischen und sozialen Fragen verbunden werden. Bedingung dafür muss sein, dass der Transformationsprozess durch die öffentliche Hand begleitet wird und mehr Investitionen in eine klimafreundliche Infrastruktur wie etwa Schienenverkehr erfolgen. Nur so könnte laut Arbeiterkammer bis 2030 in Industrie und Bau ein Beschäftigungsplus von 80.000 Arbeitsplätzen entstehen. Ein anderes Beispiel für gezielte Klimapolitik ist, die Förderungen für Umrüstungsinvestitionen für Häuser oder Wohnungen zu verbessern. Der Bund fördert zum Beispiel den Heizungstausch mit bis zu 75 Prozent. Trotzdem scheitern viele Projekte, bevor sie überhaupt starten. Denn das Geld vom Staat gibt es erst im Nachhinein, und nicht viele können die Kosten für die neue Anlage vorstrecken oder erhalten einen Überbrückungskredit. Es braucht daher Förderungen, die mehr Menschen abrufen können, und eine Klimapolitik, die gemeinsam mit den Menschen gemacht wird.


Lehrlinge

Mehr Geld für die Ausbildung

Von 2002 bis 2022 ist die Zahl der Ausbildungsbetriebe in Österreich um etwa 10.000 Unternehmen gesunken. Damit bilden österreichweit nur noch 14 Prozent aller Betriebe Lehrlinge aus. Auch in den Zukunftsbereichen Elektrotechnik oder Installations- und Gebäudetechnik fehlen die Fachkräfte. Ein großer Hebel, um die Zahl der Ausbildungsbetriebe zu erhöhen und die Finanzierung der Lehrausbildung zu verbessern, wäre die Einrichtung eines Ausbildungsfonds. Jene Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, obwohl sie es könnten, sollen in einen Ausbildungsfonds einzahlen. Aus diesem Fonds werden dann jene Betriebe gefördert, die Lehrlinge qualitativ hochwertig ausbilden. Zudem muss die Finanzierung der Berufsschulen verbessert werden. Viele sind von Sachspenden aus den Betrieben abhängig. Das ist für die PRO-GE nicht akzeptabel, denn die Ansprüche an die Lehrlingsausbildung steigen stetig, die Digitalisierung verlangt viele spezifische Kenntnisse. Berufsschulen leisten hier gute und wichtige Arbeit und daher brauchen sie modernste Gerätschaften. Die Ausstattung muss ordentlich finanziert werden und der Overheadprojektor gehört endlich ins Museum und nicht in ein Klassenzimmer.