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10 Jahre Rana Plaza

Der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch jährte sich zum zehnten Mal. Trotz wichtiger Verbesserungen in der Fabriksicherheit, sind Löhne unter dem Existenzminimum und Verletzung von Arbeitsrechten immer noch Alltag. Es braucht ein starkes Lieferkettengesetz, um globale Unternehmen für diese Missstände in die Pflicht zu nehmen, der aktuelle EU-Entwurf reicht dafür nicht aus.
Gerald Kreuzer: "Arbeit darf nicht töten!"
Gerald Kreuzer: "Arbeit darf nicht töten!"
 
Am 24. April 2013 stürzte die Textilfabrik Rana Plaza in Dhaka, Bangladesch ein. Das Gebäude war am Vortag aufgrund großer Risse in den Wänden evakuiert worden. Doch die Fabrikbesitzer:innen drohten den Arbeiter:innen, sie würden Lohn verlieren, sollten sie nicht in das Gebäude zurückkommen. Aufgrund fehlender Gewerkschaften und Hungerlöhnen blieb vielen nichts anderes übrig. Das achtstöckige Gebäude, das fünf Textilfabriken beherbergte, stürzte wenige Stunden später in sich zusammen. Mehr als 1.175 Menschen starben, über 2.000 wurden verletzt. Es gilt als schwerste Katastrophe der Textilindustrie und sorgte für einen weltweiten Aufschrei.
 
 
Mindestens 29 globale Marken ließen in Fabriken von Rana Plaza Kleidung produzieren, darunter Primark (UK/Irland), Mango (Spanien), Kik (Deutschland) und Benetton (Italien). Viele große Firmen gaben vor, nicht gewusst zu haben, dass dort auch ihre Kleidung produziert wurde. Hier waren vor allem Aktivist:innen dafür verantwortlich, jene Marken zu identifizieren, indem sie in den Trümmern nach Kleidungsstücken gruben.
 
Was hat sich seit der Katastrophe verbessert?
 
Dank des Internationalen Abkommens für Gesundheit und Sicherheit in der Textil- und Bekleidungsindustrie und seiner Vorgänger konnte die Anzahl tödlicher Unfälle, wie sie vor 2013 häufig auftraten, drastisch gesenkt werden. Der sogenannte Bangladesch Accord, ein verbindliches Abkommen, das infolge der Rana Plaza-Katastrophe zwischen Arbeitnehmer:innenvertretungen und Unternehmen ins Leben gerufen wurde, schreibt Sicherheitsvorkehrungen und Brandschutz in über 1.500 Fabriken vor. Es ist rechtlich bindend und verleiht Gewerkschaften mehr Wirkmacht, es sorgt zum Beispiel für unabhängige Beschwerdestellen für Arbeiter:innen.
 
Trotzdem gibt es Lücken: Der Beitritt zum Abkommen ist freiwillig. 190 Marken haben es unterzeichnet, große Marken wie Levi’s und IKEA aber nicht. Bisher beschränkt sich das Abkommen nur auf Bangladesch und seit 2022 auch auf Pakistan. Es gilt in Bangladesch allerdings nur bis 2023. Um ständige Neuverhandlungen und Aufweichversuche zu verhindern, fordern Südwind udn PRO-GE, die Gültigkeit des Abkommens ohne Ablauffrist zu verlängern und auf alle textilproduzierenden Länder auszuweiten.
 
"Arbeit darf nicht töten"
 
“Es ist ein Skandal, dass europäische Textilkonzerne weiterhin mit Menschenleben pokern. Unternehmen sind dringend gefordert, Mindeststandards für die Sicherheit und Unversehrtheit ihrer Arbeiter:innen zu garantieren“, sagt Gertrude Klaffenböck, Koordinatorin der Clean Clothes Kampagne bei Südwind. "Arbeit darf nicht töten! Fabrikbesitzer und Modekonzerne müssen endlich Verantwortung übernehmen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen, ordentliche Bezahlung und Gewerkschaftsfreiheit zusichern", sagt Gerald Kreuzer Koordinator der Clean Clothes Kamapgne bei der PRO-GE.
 

 

 

Wie wurde mit Entschädigungen umgegangen?
 
Die Überlebenden und betroffenen Familien der Rana Plaza-Katastrophe wurden für Einkommensverluste und medizinische Kosten nach den Standards der International Labour Organisation (ILO) vollständig entschädigt. Doch das Geld dafür wurde von den Modekonzernen erst nach zwei Jahren intensiver Kampagnenarbeit bereitgestellt und nicht alle Marken, die in der Rana Plaza-Fabrik produzieren ließen, zahlten ihren Anteil. Da diese Entschädigungen auf Einkommensverlusten ausgehend von sehr niedrigen Löhnen basierten, erhielten die Arbeiter:innen am Ende nur relativ niedrige Beträge. Für Schmerzen und Leiden gab es keine Entschädigung.
 
Welche Probleme bleiben?
 
Der extrem niedrige Mindestlohn von etwa 8.000 Taka (70 Euro) pro Monat ist ein anhaltendes Problem. Gewerkschaften fordern Mindestlöhne zwischen 22.000 und 25.000 Taka (bis zu 217 Euro), um ein menschenwürdiges Leben zu führen. Berechnungen der Asia Floor Wage Alliance schätzen, dass Arbeiter:innen in Bangladesch eigentlich das Doppelte benötigen würden, um mit ihren Familien ein anständiges Leben führen zu können.
 
Laut aktuellen Recherchen der Clean Clothes Kampagne bleiben die meisten Textilkonzerne den Arbeiter:innen existenzsichernde Löhne schuldig und kommen ihren Transparenzversprechen gegenüber Kund:innen nicht nach. 60 Prozent von 264 befragten Modeunternehmen halten sich an keinerlei Transparenzverpflichtungen. Nur 46 befragte Unternehmen (17%) legen zusätzliche Informationen über ihre Lieferkette offen, etwa ob es am Arbeitsplatz eine Gewerkschaft gibt oder nicht. 
 
Warum braucht es ein Lieferkettengesetz?
 
Viele Produkte, die wir täglich nutzen kommen nicht aus Europa und durchlaufen verschiedene Schritte in der Herstellung und Weiterverarbeitung in mehreren Ländern. Die billige Herstellung geht oft auf Kosten von Arbeitskräften, den Menschenrechten und der Umwelt. Für Unternehmen bleibt das meist folgenlos. Am 23. Februar 2022 ist der Gesetzesentwurf der EU-Kommission für ein EU-Lieferkettengesetz erschienen. Es soll verpflichtende menschenrechtliche und Umwelt-Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten festlegen. In Hochrisikosektoren wie der Bekleidungsindustrie soll das Gesetz ab 250 Mitarbeiter:innen und 40 Millionen Euro Umsatz gelten.
 
EU-Entwurf reicht nicht aus
 
Clean Clothes sieht aber noch große Schlupflöcher im aktuellen Gesetzesentwurf. Um künftige Katastrophen und systematische Ausbeutung zu bekämpfen, brauche es Nachschärfungen. Der aktuelle Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz beschränke die Sorgfaltspflicht der Unternehmen auf "etablierte Geschäftsbeziehungen". Ein  Lieferkettengesetz müsse aber die gesamte Wertschöpfungskette umfassen. Das Lieferkettengesetz müsse außerdem für alle Unternehmen aller Größen gelten. Laut aktuellem Entwurf sind rund 99 Prozent der EU-Unternehmen ausgenommen. 
 
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